Wurde auch mal Zeit, oder? Deutschland hat endlich gezeigt, dass es nicht ganz von gestern ist. Am 30. Juni 2017 hat der deutsche Bundestag mit einem mehrheitlichen „Ja“ zur Ehe für alle eine historische Entscheidung getroffen. Damit wurde zumindest die Aufhebung politischer Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare in Deutschland in Aussicht gestellt.
In Aussicht gestellt?
Naja, durch ist das entsprechende Gesetz zur Ehe für alle leider noch nicht. Ex existieren bereits mehrere Gesetzesentwürfe (von Linken, Grünen und Bundesrat), die dem Parlament auch vorliegen. In Kraft treten kann das Gesetz aber frühestens Ende September nach einer Prüfung durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier.
Gibt es noch Hindernisse?
Ja, die gibt es! Denn wer hätte es gedacht – die AfD zieht es in Betracht, juristisch gegen die Ehe für alle vorzugehen. Auch CDU/CSU-Politiker zweifeln mit Verweis auf das Grundgesetz die Verfassungskonformität des Beschlusses vom 30. Juni an. Was daran verfassungswidrig sein soll? Dass die Ehe verfassungsrechtlich anscheinend als ‚Gemeinschaft von Mann und Frau‘ definiert sei. Aber steht das überhaupt in der Verfassung? Ich hab‘ mal für Euch nachgeguckt: Nein! Tut es nicht.
Das wissen natürlich auch Kauder, Hasselfeldt & Co., aber es wäre ja kein Gesetz, gäbe es nicht auch ein Schlupfloch… Diejenigen Politiker, die eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in Erwägung ziehen und für aussichtsreich halten, beziehen sich auf die ’ständige Auslegung‘ der Ehe eben dieser Institution. Das heißt, in der Vergangenheit wurden vom Bundesverfassungsgericht Urteile gesprochen, die die Ehe als „Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft“ bezeichneten.
Wenn alles glatt geht…
… können gleichgeschlechtliche Paare ab Ende September heiraten – rechtsgültig und mit allen Schikanen. Homosexuelle Paare, die bereits eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen miteinander eingegangen sind, können diese dann in eine rechtsgültige Ehe umwandeln lassen.
Was ändert sich wirklich?
Gemeinsamkeiten von Ehe und eingetr. Lebenspartnerschaft
Die seit 2001 mögliche eingetragene Lebenspartnerschaft war in vieler Hinsicht bereits der Ehe zwischen (bis jetzt) Mann und Frau gleichgestellt. 2013 wurde rückwirkend ein Beschluss gefällt, dass ‚verpartnerte‘ Paare auch steuerlich Ehepaaren gleichgestellt werden müssten. Steuern sparen konnten gleichgeschlechtliche Paare also genauso. Auch beim Erb- und Unterhaltsrecht waren sie gleichgestellt. Wer wollte, konnte wie bei einer ’normalen Ehe‘ den Namen seines Partners annehmen.
Unterschiede zwischen Ehe und eingetr. Lebenspartnerschaft
Der größte Unterschied bestand bisher beim Adoptionsrecht. Während Ehepaare laut BGB ein Kind gemeinsam annehmen können, konnte das in eingetragenen Lebenspartnerschaften immer nur ein Partner als Einzelperson. Hauptsächlich war so die Stiefkindadoption möglich – bei eingetragenen Lebenspartnern seit 2005. Ein Partner konnte also das leibliche Kind des anderen adoptieren. Seit 2013 gab es dann auch die Möglichkeit zur Sukzessiv-Adoption in eingetragenen Lebenspartnerschaften. Jetzt konnte auch ein durch den Partner bereits adoptiertes Kind vom anderen Partner adoptiert werden.
Diskriminierung in Sachen Adoption!
Nun könnte man meinen, dass es dann ja nur ein bisschen schwieriger gewesen sei für gleichgeschlechtliche Paare, ein Kind zu adoptieren. ‚Ein bisschen‘ ist allerdings mächtig untertrieben! Zwar ist es in Deutschland theoretisch möglich, auch als (alleinstehende) Einzelperson ein fremdes Kind zu adoptieren. Jedoch sind die Auflagen für eine Adoption so streng, dass die meisten leiblichen Eltern, geschweige denn andere Ehepaare sie überhaupt erfüllen können. Da spielen nicht nur Alter (mind. 25) und gesundheitliche Verfassung eine Rolle, sondern auch, ein ausreichendes Einkommen und genügend Wohnraum bieten zu können. (Ist zu zweit ja bekanntlich einfacher!) Die Eignungsfeststellung durch das Jugendamt sieht außerdem eine eingehende Prüfung der Persönlichkeit und familiären Situation vor.
In dieser Lage als Einzelperson den vielen Ehepaaren vorgezogen zu werden, die gern ein Kind adoptieren möchten, ist so nahezu aussichtslos. Zumal die Zahl adoptionsinteressierter Ehepaare in Deutschland größer ist als die der zur Adoption freigegebenen Kinder. Ob sich durch die Ehe für alle nun tatsächlich oder nur auf dem Papier etwas an dieser Ungleichbehandlung ändert, bleibt wohl noch abzuwarten…
Warum Ehe für alle trotzdem cool ist
Egal, ob die restlichen rechtlichen Unterschiede zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften jetzt auch umgehend im wahren Leben oder nur in den Gesetzbüchern ausgeräumt werden: Allein die Tatsache, dass die elende Wortklauberei nun endlich abgeschafft ist, empfinde ich persönlich als großen Schritt! Der Rest des Problems wird sich dann schon evolutionstechnisch erledigen. Die Ewig-Gestrigen sterben ja schließlich von ganz alleine aus!
An alle Paare, die jetzt endlich heiraten können, an alle ganz normalen Regenbogenfamilien und alle, die es noch werden wollen: dicker, fetter, herzlichster Gypsy-Glückwunsch! Das habt Ihr nicht verdient, es steht einfach jedem zu!
Photo Credits: Brandi Potter, Chloe Jackman